Ein Mann sucht nach Informationen

An einem entspannten Nachmittag im Sommer rufe ich Herrn Behrmann als meinen letzten Patienten auf. Anders als die meisten meiner Patienten leidet er nicht an einem Diabetes. Er hat sich bei meinem Praxispartner einen Termin für eine Dickdarmspiegelung geben lassen und kommt heute zu mir für das aufklärende Vorgespräch.

Ich merke gleich, dass Herr Behrmann es gewohnt ist, Gespräche aktiv zu führen und zu gestalten. Er schildert mir sein Anliegen ganz ohne mein Zutun. Ich kann mich entspannt zurücklehnen und ihm zuhören. Herr Behrmann ist gerade 47 Jahre alt geworden und beschäftigt sich mit der Frage, ob eine vorsorgliche Dickdarmspiegelung sinnvoll sein könnte. Zwei seiner Kollegen haben eine solche Untersuchung vor Kurzem hinter sich gebracht. Sie fanden die Prozedur unangenehm. Dennoch haben sie ihrem Kollegen empfohlen, sich ebenfalls einer Dickdarmspiegelung zu unterziehen.

Herr Behrmann ist in leitender Position als Berater tätig. Sein Unternehmen hat zahlreiche Kunden im Gesundheitswesen, und die Mitarbeiter verfügen über umfangreiches Fachwissen.

Er geht daher davon aus, dass seine Kollegen die Entscheidung für ihre Vorsorge-Untersuchung aus guten Gründen getroffen haben. Worauf genau sich die Entscheidung seiner Kollegen gründet, weiß er aber nicht.

Fast jeden Tag werde ich von meinen Patienten nach sinnvollen Vorsorgeuntersuchungen gefragt. Meinen Patienten geht es dabei zumeist um Krebserkrankungen.

Bei näherem Nachdenken wird allerdings klar, dass es Vorsorge-Untersuchungen gar nicht gibt. Denn die als Vorsorge-Untersuchungen bezeichneten Tests sind in Wirklichkeit Früherkennungs-Untersuchungen. Es muss also schon etwas vorhanden sein, das dann durch eine Untersuchungen erkannt werden kann. Dabei kann es sich um die Frühform einer Krebserkrankung, zu hohe Cholesterinwerte oder einen bisher nicht entdeckten Diabetes handeln.

Beim Dickdarmkrebs liegen die Dinge etwas anders. Bei der Dickdarmspiegelung wird nach gutartigen Polypen gesucht. Diese Polypen haben die Eigenschaft, im Verlauf der Zeit zu wachsen und dann in eine Dickdarmkrebs-Erkrankung überzugehen. Nach aktuellen Forschungsergebnissen geht man davon aus, dass sich der Dickdarmkrebs zumeist aus zunächst nicht-bösartigen Polypen entwickelt. Von der Entstehung eines Polypens bis zu seiner Veränderung in eine Krebsgeschwulst vergehen im Mittel 10 Jahre.

Das Konzept der vorsorglichen Dickdarmspiegelung beruht auf der Idee, die Polypen zu entdecken und zu entfernen, bevor sich eine Krebserkrankung aus ihnen entwickelt. Obwohl dieses Konzept in sich sehr schlüssig ist, konnte bisher nicht nachgewiesen werden, dass es auch wirksam ist.

In Deutschland haben seit gut 10 Jahren alle gesetzlich Krankenversicherten im Alter ab 55 Jahren ein Anrecht auf eine Vorsorge-Koloskopie. Viele Menschen nehmen diese Untersuchung seither in Anspruch.

Bisher konnte aber nicht gezeigt werden, dass hierdurch weniger Menschen an Dickdarmkrebs erkranken oder sterben. Erste positive Ergebnisse zum dem Programm in Deutschland wurden in 2010 veröffentlicht. Sie beruhen aber bisher auf Hochrechnungen und statistischen Modellen.

Gleich zu Beginn unseres Gesprächs wurde mir deutlich, dass Herr Behrmann sich gar nicht sicher war, ob er eine Dickdarmspiegelung vornehmen lassen sollte. Ihn interessiert zunächst, ob er denn in seinem Alter ein erhöhtes Dickdarmkrebsrisiko hat. Nur dann würde für ihn eine solche Untersuchung sinnvoll sein. Er fragte mich ganz konkret nach der Höhe seines Risikos.

Ich musste nicht lange überlegen, wie wir diese Informationen finden könnten.
Seit Jahren verwende ich ein professionelles Informationssystem. Es ist für mich eine unverzichtbare und wirklich unabhängige Wissensquelle geworden. Ich kann dort jederzeit mühelos auf Artikel von Experten auf ihrem Gebiet zugreifen. Das Ausmaß der wissenschaftlichen Objektivität ist frappant.

Als Arzt bezahlt man einen hohen Jahresbeitrag und erhält dafür ein System, das von Einflüssen der Pharma-Industrie frei ist. Seit der Gründung vor 20 Jahren ist das System stark gewachsen und beinhaltet mittlerweile fast alle Fachgebiete der Medizin. Das System ist so umfassend, dass ich es nur ganz selten erlebe, dass ich auf meine Frage keine Antwort oder Hilfestellung finde. Rund um die Welt wird UpToDate® von gut 700.000 Ärzten als ihre Wissensquelle verwendet.

Als ich Herrn Behrmann von diesem System erzählte, war er gleich sehr interessiert. Ich drehte meinen Monitor so um, dass wir beide darauf lesen konnten. Wir fanden sofort einen Artikel über Früherkennungs-Untersuchungen auf Dickdarmkrebs. Gemeinsam stöberten wir in dem Artikel und stellten fest, dass sich die Empfehlungen unterschieden, je nachdem ob ein Mensch ein durchschnittliches oder ein erhöhtes Risiko für eine Dickdarmkrebs-Erkrankung hat. Ein erhöhten Risiko liegt dann vor, wenn

– bereits früher ein Dickdarmpolyp festgestellt wurde,

– eine chronische entzündliche Darmerkrankung vorliegt oder

– bei einem Verwandten 1. Grades ein Dickdarmkrebs oder ein Dickdarmpolyp festgestellt wurde.

Alle drei Punkte konnte Herr Behrmann verneinen. Er gehört somit in die Gruppe der Menschen mit einem durchschnittlichen Risiko für die Entwicklung eines Dickdarmkrebses. Für solche Menschen wird empfohlen, mit 50 Jahren eine erste vorsorgliche Dickdarmspiegelung durchzuführen.

Herr Behrmann fand diese Informationen hilfreich und ihre Herkunft seriös. Ihn irritierte aber, dass seine beiden Kollegen ihm dennoch zu dieser Untersuchung so intensiv geraten hatten. Beide sind, genau wie er selbst, deutlich jünger als 50 Jahre. Bevor er sich für oder gegen eine Untersuchung entscheiden konnte, wollte er sie unbedingt nach ihren Beweggründen näher befragen. Mein Angebot, ihm den Artikel aus UpToDate auszudrucken, nahm er gerne an. Ihm war schon vorher der Gedanke gekommen, dass diese Datenbank auch für seine Firma eine hilfreiche Informationsquelle sein könnte.

Wie vereinbart, erhielt ich wenige Tage später von Herrn Behrmann eine E-Mail. Er sagte darin seinen Termin für die Untersuchung ab.

Er hatte mit seinen Kollegen gesprochen und dabei erfahren, dass bei dem einen Kollegen mehrere Familienmitglieder in jungen Jahren an Dickdarmkrebs erkrankt waren. Er gehörte deshalb in die Gruppe der Menschen mit einem erhöhten Risiko.

Der andere Kollege hatte etliche Monate lang an einem Projekt gearbeitet, bei dem es um die Behandlung von Dickdarmkrebs ging. Mit der Zeit hatte er Angst bekommen, er könne selber von der Erkrankung betroffen sein. Er hatte sich wohl „seelisch angesteckt“ und dann zu seiner Beruhigung die Dickdarmspiegelung vornehmen lassen.

Herr Behrmann schrieb mir abschließend, dass er diese Angst nicht habe und sich in drei Jahren, nach seinem 50. Geburtstag wieder melden würde.

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