Vor kurzem saß ich mit einem befreundeten Kollegen zusammen: „Ich zippele in der letzten Zeit immer weniger an dem Diabetes meiner Patienten herum“, erzählte ich ihm. Er atmete aus. Wir waren beide erleichtert. Denn im heute noch verbreiteten, hierarchisch orientierten Arztbild der letzten 100 Jahre stehen einzig medizinische Maßnahmen im Vordergrund. Das Beziehungsgeschehen blieb im Hintergrund und unbeleuchtet.

Wir hingegen waren uns darin einig, dass genau dieses Geschehen zwischen Arzt und Patient beachtet werden muss um es, zusammen mit den medizinischen Fakten, für die Behandlung unserer Patienten nutzbringend einzusetzen.

Vor gut 50 Jahren hat Michael Balint seine Erkenntnisse über die unbewussten Interaktionen zwischen Arzt und Patient veröffentlicht. Jene Erkenntnisse sind im Verlauf zum Allgemeingut geworden und haben Einzug in viele Bereiche der Medizin gefunden.

Nach etlichen Jahren der Tätigkeit als Arzt stelle auch ich fest, dass die unsprachliche Interaktion in fast jeder Konsultation eine entscheidende Rolle spielt. Die medizinische Behandlung ist in meiner täglichen Arbeit wesentlich erfolgreicher, wenn es mir zugleich gelingt, eine Verbindung zu meinen Patienten aufzubauen, die mir einen Zugang zu ihrer Vorstellungswelt gewährt.

Die Berücksichtigung des hierbei entstehenden Prozesses im Beziehungsgeschehen ermöglicht es, das mitunter rätselhafte Verhalten der Patienten besser zu verstehen und in eine erfolgreiche Behandlung umzusetzen.

In den 1990er Jahren entwickelte der Psychologe Axel Hirsch in der Deutschen Diabetologie das Modell des Empowerment für die Beratung von Menschen mit einem Diabetes mellitus. Dies Modell zeigt Wege auf Patienten so zu beraten, dass sie ihre autonomen Entscheidungen mit Hilfe der vom Berater zur Verfügung gestellten richtigen und überprüften Informationen treffen können.

Diese fortschrittliche Arbeitsweise gerät aber zunehmend in Vergessenheit und stößt bei einigen Patienten an geheimnisvolle Grenzen.

Ich stelle in diesem Blog Fallbeispiele aus meiner Praxis vor, bei denen die unbewussten Interaktionen eine entscheidende Rolle für den Behandlungsverlauf gespielt haben.

 

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